Volker Richert
Brennpunkte rund ums Smarthome
Nach wie vor ist die grosse Vielfalt an Smarthome-Systemen ohne gemeinsame Sprache ein Dauerbrenner bei Anbietern und Installateuren. Der Matter-Standard verspricht zwar Abhilfe, kommt aber nur langsam vom Fleck.
Immer wenn sich in den letzten Jahren die hiesige Smarthome-Branche trifft, bilden der App-Wildwuchs und die Interoperabilität der Systeme wichtige Diskussionsschwerpunkte in Sachen Gebäudeautomation. Zumal mit den Ansprüchen der Anwender und der zunehmenden Gerätevielfalt auch die Komplexität wächst. So fragte man zuletzt auch am diesjährigen «Forum Smarthome» im Zürcher Technopark wieder nach den Dauerbrennern der Branche: Wie gehen smarte Apps, Künstliche Intelligenz (KI) und Sicherheit angesichts der grossen Vielfalt an Smarthome-Systemen ohne gemeinsame Sprache zusammen?
Wichtig sind Antworten auf derartige Fragen nicht zuletzt deshalb, weil ständig neue Anwendungen zu integrieren sind wie beispielsweise die KI-gesteuerte smarte Katzenklappe als Ersatz für traditionelle Haustier-Zugangssysteme. Kommt hinzu, dass Matter, das von Tech-Giganten wie Amazon, Apple, Google und Samsung gepushte Kommunikationsprotokoll, die Interoperabilität zu verbessern und unter anderem die Grenzen zu auch schon länger bestehenden Smarthome-Systemen aufzubrechen verspricht. Erste entsprechende Matter-zertifizierte Gateways hier für das Steuern von Beleuchtung, Beschattung, Heizung, Gebäudezugang und vielem mehr via Apple- oder Google-Home-Apps – inklusive Sprachsteuerung – liegen vor.
Matter muss raus aus den Kinderschuhen
Fragt man bei Urs Columberg, dem Chef und Besitzer vom Zürcher Traditionsunternehmen Heinz Bär Elektro-Anlagen, nach dem App-Wildwuchs, den Interoperabilitätsproblemen und Matter, stellt er kurz und bündig fest, dass ein gemeinsamer Nenner gefunden werden müsse. In Sachen Smarthome «herrscht ein Durcheinander und es gibt zu viele Anbieter». Schwierig schätzt er zudem die Diskussion um den App-Wildwuchs ein, zumal immer mehr smarte Geräte zum festen Bestandteil unseres Alltags geworden sind, der längst intelligente Lampen, Storen, Heizung, Türschloss oder Waschmaschine und PV-Anlage umfasst. «Es ist wirklich ein Dschungel. Für eine kleine Einfamilienhaus-Lösung mit nur wenigen Geräten spielt es nicht so eine grosse Rolle, was der User auswählt. Schwieriger wird es aber bei der Anbindung von Haustechnik wie die Heizung und manches andere», so Columberg.
Die Standardisierung über das Matter-Protokoll, schiebt er nach, sei «ein wichtiger Schritt, da es immer einen Graben gab, zwischen den verschiedenen Systemen». Allerdings fehle es noch an Matter-zertifizierten Lösungen, die für die Steuerung aller Haussysteme über eine App via iOS und Android einsetzbar sind. Bestehende Standardisierungsansätze müssten weiter ausgebaut werden, was sicher auch noch mehr Zeit benötige, schiebt Columberg nach.
Angedeutet wird hier der zunächst recht zaghafte Start des Smarthome-Standards vor knapp zwei Jahren. Obwohl von Techriesen wie Amazon, Apple, Google und Samsung gepusht, wurden kaum Matter-kompatible Geräte verfügbar gemacht. Das hat sich nicht zuletzt mit der Matter-Version 1.2 zwar deutlich geändert, hat aber noch längst nicht zu einer standardisierten Steuerung über alle Systeme hinweg geführt. Hier gibt es noch viel zu tun für die Connectivity Standards Alliance (CSA), die Matter verantwortet.
Geschlossen und offen – «geschloffene» Systeme
Interessant ist die Positionierung des österreichischen Branchenprimus Loxone.
Manuel Nader, Chef von Loxone Schweiz, erklärt dazu: «Die Initiative von Matter entspricht unserer Philosophie, intelligente Gebäudeautomation zugänglich und benutzerfreundlich zu gestalten. Deshalb bieten wir unseren Kunden die Flexibilität, Loxone-Komponenten und Funktionsbausteine via Matter zu steuern.» Nur, so Nader weiter, «unser System bietet dank seiner leistungsstarken Soft- und Hardware umfassendere Automationsmöglichkeiten als der aktuelle Matter-Standard». Jedenfalls ist auch Loxone mittlerweile offizielles Mitglied der CSA, führt Nader aus. Derzeit gebe es eine experimentelle Integration in die hauseigene Gebäudeautomations-Software Loxone Config, wobei der «aktuelle Stand der Implementierung ist, dass über einen Matter-kompatiblen Controller, wie Amazon Alexa, Apple HomeKit oder Google, die Loxone-Funktionalitäten angesteuert werden können», so der Schweiz-Chef weiter.
Allerdings ändert dieses Engagement nichts daran, dass «bei der intelligenten Automation von Gebäuden sogenannte geschlossene Systeme tiefgreifende Vorteile bieten», betont Nader: «Die Komponenten lassen sich einfach per ‹Plug & Play› miteinander konfigurieren und ermöglichen die notwendige Stabilität und Ausfallsicherheit.» Darüber hinaus erfordere die Praxis jedoch, auch Komponenten anderer Hersteller zu integrieren. «Dazu braucht es eine Lösung, die sich offen gegenüber externen Produkten zeigt.» Neben der hauseigenen Peripherie wie Tree und Air liefere man dafür zahlreiche Schnittstellen, wie digitale oder analoge Ein- und Ausgänge, KNX, Netzwerk, DMX, DALI, Modbus, EEBus sowie RS232/RS485 und vieles mehr, so Nader weiter.
Obwohl Loxone eigene Technologien entwickelt hat, um alle Aufgaben im intelligenten Gebäude für den Fachhandwerker einfach zu erledigen, verstehen wir es nicht als geschlossenes System, erläutert er den Widerspruch. «Durch die zahlreichen Schnittstellen ist unsere Lösung sehr anschlussfreudig. Deshalb sprechen wir von einem ‹geschloffenen System›, also einem System, welches das Beste aus geschlossenen und offenen Systemen vereint.» Hinzu komme, dass man mit der sogenannten Loxone Library einen grossen Schritt in Richtung einer Plattformlösung gehe. Sie ermögliche, «die gesamte Bandbreite intelligenter Automation mit verschiedensten Komponenten abzubilden und für eine optimale Interoperabilität zu sorgen».
Innovation – am Puls der Zeit
In Sachen App-Wildwuchs, erklärt Nader, dass man als Hersteller darauf fokussiere, das Leben so zu vereinfachen, dass das Gebäude selbst weiss, was punkto Sicherheit, Energieeffizienz und Komfort zu tun ist. «Daher ist es wichtig, dass alle Gewerke miteinander agieren und eben nicht in einer Insellösung verbleiben.» Die Komponenten im intelligenten Gebäude würden, ähnlich dem menschlichen Nervensystem, zur zentralen Steuerung im Loxone-Miniserver zusammenlaufen. «Er lässt die einzelnen Komponenten und Geräte regelrecht miteinander sprechen.» Und, resümiert Nader, «dank der Komplettlösung ist der Überblick mit nur einer App gewährleistet, was die Anwendung sehr komfortabel gestaltet».
Wichtig sei diese offene Systemarchitektur mit den zahlreichen Schnittstellen gerade auch für Zukunftsthemen. Ob das die Energieeffizienz und das Energiemanagement sind, die schon immer einen Smarthome-Fokus sind, von «uns aber in den letzten Monaten mit neuen Produkten und Software-Updates auf ein neues Level gehoben werden konnten». Oder auch Lösungen zum altersgerechten Wohnen, die man entwickelt habe, so Nader.
Man wolle Innovationsführer im Bereich Gebäudeautomation sein, begründet er den Anspruch, stets als Erster Produkte und Lösungen am Puls der Zeit zu entwickeln. Für die Anwender bedeute diese Entwicklung, dass sie sich immer weniger um Schnittstellen kümmern müssen, weil alle Gewerke mehr und mehr zu praxistauglichen Lösungen zusammenwachsen.