Sanitärtechnik

Andreas Bopp: «Rund 56% der Treibhausgas-Emissionen der Stadt Zürich fallen auf den Gebäudesektor. Hier kann die IMMO als Eigentümerin grossen Einfluss nehmen.» (Bilder: F.Lipp)

19.10.2024
Fery Lipp

Interview mit Andreas Bopp, IMMO

Nachhaltiges Wirken und möglichst sparsamer Einsatz von Ressourcen ist in aller Munde – auch die öffentliche Hand wirkt hier als Vorreiterin. Andreas Bopp ist erfahrener Fachspezialist Gebäudetechnik bei Immobilien Stadt Zürich (IMMO). Er und sein Team der Fachabteilung Gebäudetechnik sind in ihrem täglichen Wirken für den sorgsamen Umgang mit Trinkwasser und Energie unter Einhaltung aller hygienischen Vorgaben besorgt. Im Interview erklärt er die Herausforderungen, die es in seiner Aufgabe zu bewältigen gilt.

Andreas Bopp, was ist genau Ihre Aufgabe bei Immobilien Stadt Zürich für die Gebäude in öffentlicher Hand?

Immobilien Stadt Zürich (IMMO) managt ein Portfolio von rund 1900 Gebäuden und Anlagen im Verwaltungsvermögen. Dazu zählen die städtischen Schulanlagen, Verwaltungsgebäude, Sportanlagen, Gesundheitszentren, Werkhöfe sowie Sozial- und Kulturbauten. Die IMMO bestellt und begleitet die Bauprojekte. Wir von der Abteilung Gebäudetechnik kommen während eines Bauprojekts in allen SIA-Phasen zum Einsatz. Wir unterstützen und beraten die Projektleitung und Fachplanung von der Konzeption bis zur Inbetriebnahme des Gebäudes und bleiben auch danach mit den technischen Diensten und den Betriebsleitern in Kontakt. So können wir aus den Rückmeldungen und Erfahrungen für die nächsten Bauvorhaben lernen und die Qualität der Anlagen stets verbessern. Wir beraten interne und externe Fachplaner und schulen Betriebsleiter und technische Leiter. Daneben werden wir auch für strategische Fragen beigezogen und wirken bei der Erarbeitung von städtischen und schweizweit geltenden Standards, Richtlinien und Normen mit. In verschiedenen Branchenverbänden oder Forschungsgruppen bringen wir die Erkenntnisse aus unserem Arbeitsalltag ein – gerne auch mal in unserer Freizeit. Ich engagiere mich zum Beispiel seit Jahren bei Suissetec und bei den Verbänden SSHL und VSSH.

 

Wieso ist die Arbeit in den Branchenverbänden und Branchenvereinen wichtig für Sie?

Wir leisten einerseits einen Beitrag zur Entwicklung der Branche. Andererseits bleiben wir so selbst am Puls der Zeit oder sind sogar ein, zwei Schritte voraus. Wir müssen bereits lange vor der Publikation einer neuen Richtlinie im Bild darüber sein, was sie fordert und was sie für unser Portfolio bedeutet. Die Stadt Zürich nimmt ausserdem in vielerlei Hinsicht eine Vorreiterinnenrolle ein. Dazu ist die Vernetzung mit den besten Fachleuten der Branche unverzichtbar.

 

Durch die Änderung des Lebensmittelgesetzes (LMG) und mit Inkrafttreten der TBDV 2017 wird der Trinkwasserhygiene und der Legionellen-Problematik ein höherer Stellenwert eingeräumt. Was sind da momentan die grössten Herausforderungen in Ihrem Wirken?

Unser Portfolio ist mannigfaltig, wovon nicht wenige Gebäude über öffentlich oder halböffentlich zugängliche Duschanlagen verfügen. Als Eigentümerin ist die Stadt verpflichtet, die gesetzlichen Anforderungen an die Wasserqualität zu erfüllen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Einhaltung der mikrobiologischen Anforderungen. Bereits vor 2017 haben wir unsere Gesundheitsbauten regelmässig beprobt. Als mit der TBDV schliesslich gesetzliche Grenzwerte eingeführt wurden, kamen nach den Erstbeprobungen auf einen Schlag sehr viele Fälle auf uns zu. Die TBDV verlangt, dass in Fällen, in denen die mikrobiologischen Anforderungen bauliche Massnahmen an Bädern und Duschanlagen erforderlich machen, diese bis zum 30. April 2027 erfolgen müssen. Die betroffenen Gebäude innert 10 Jahren unter den gesetzlichen Höchstwert zu kriegen, stellt allein schon wegen der Anzahl und Komplexität unserer Anlagen eine sehr grosse Herausforderung dar. Das gilt aber nicht nur für uns, sondern für alle Eigentümer von öffentlichen Anlagen – mit den entsprechenden Erschwernissen für die Investitionsplanung. War beispielsweise eine grosse Sanierung aufgrund der üblichen Unterhaltszyklen erst in 20 Jahren geplant, wird es finanziell und logistisch schwierig, dieses 10 Jahre vorzuziehen. Genau das müsste aber geschehen, wenn man ein Gebäude nicht zweimal in 20 Jahren anfassen will. Wo das nötig ist, müssen fallweise Überbrückungsmassnahmen geprüft werden. Mögliche Lösungsansätze sind zum Beispiel endständige Filter, chemische Behandlung, mechanisch-chemische Behandlung, Teilersatz oder Ausserbetriebnahme von einzelnen Installationsabschnitten.

In der ersten Phase nach Inkrafttreten der TBDV kam es mangels Unterstützung aus der Branche auch zu Verzögerungen. Die Fachplaner waren lange nicht für das Thema Wasserhygiene sensibilisiert. Das Wissen und die Lösungsansätze waren schlicht nicht vorhanden, Schulungen kamen erst relativ spät.

Die Klimaerwärmung wirkt sich auch auf den sanitären Bereich aus. Wenn es wärmer wird, heizen sich die Häuser und in der Folge auch die Wasserleitungen auf. Das stellen wir schon heute fest. In Zukunft sehen wir deshalb vor allem im Kaltwasser eine der grössten Herausforderungen für unsere Arbeit. Dort ist man den Umgebungstemperaturen ausgeliefert. Aktuell gibt es noch keine zufriedenstellenden Lösungen, wie wir damit umgehen können. Ansätze auf Basis von Filtrierung, chemischer Behandlung oder aktiver Kühlung sind entweder sehr aufwendig oder nicht nachhaltig wirksam. Zudem ist es äusserst schwierig, diese Lösungsansätze in bereits bestehenden Anlagen umzusetzen. Aber auch bei Neubauten stellt uns die lückenlose Vermeidung der Erwärmung von Kaltwasser vor Herausforderungen.

 

Nachhaltiges Wirken und möglichst sparsamer Einsatz von Ressourcen - Energie und Materialien - sind heute eminent wichtig. Wie wirkt sich das auf Ihre täglichen Aufgaben aus?

Die Stadt Zürich will mit ihrem Immobilienstandard «Meilenschritte 23» eine Vorbildfunktion im Umgang mit Ressourcen und Kreislaufwirtschaft einnehmen. Dafür setzt sie unter anderem auf Re-Use, also die Wiederverwendung von Materialien. Im Bereich der Sanitäranlagen ist das nicht immer einfach. Ver- und Entsorgungsleitungen, Dämmungen und vieles mehr kann zum Beispiel nicht sinnvoll wiederverwendet werden. Andere Geräte schon eher: Bei der Instandsetzung des Hallenbads Altstetten wollen wir etwa die alten Edelstahl-Warmwasserspeicher zu technischen Speichern umnutzen. Generell kann man sagen, dass wir die Gerätschaften immer prüfen und uns – sofern sie in einem guten Zustand sind – überlegen, wie wir ihren Lebenszyklus verlängern können.

Nachhaltigkeit beginnt jedoch schon bei der Planung. Schon in der Vorprojektphase stellen wir die Suffizienz-Frage: Welche Wasserbezugsstelle ist tatsächlich nötig? Und ist es zwingend, überall Warmwasser zu liefern?

Ein besonderes Augenmerk gilt auch der Dimensionierung der Installationen. Wenn wir beispielsweise wassersparende Armaturen vorsehen wollen, müssen die entsprechenden Volumenströme bei der Nennweitenbestimmung der Leitungen berücksichtigt werden. Weiter versuchen wir in einer frühen Projektphase, die Anordnung der Nassbereiche zu optimieren und diese möglichst bei- und übereinander zu plazieren. So können die Leitungslängen und die damit einhergehenden Wärmeverluste verringert werden.

Andreas Bopp hat in der Stadt Zürich gut 1900 Immobilien in seinem Portfolio.

Andreas Bopp hat in der Stadt Zürich gut 1900 Immobilien in seinem Portfolio.

«Wir bei der IMMO verfolgen das Ziel, Wasserhygiene und Energieeinsparungen zu vereinbaren», sagt Andreas Bopp.

«Wir bei der IMMO verfolgen das Ziel, Wasserhygiene und Energieeinsparungen zu vereinbaren», sagt Andreas Bopp.

Der Anspruch, Energie und Ressourcen zu sparen, kann den Anforderungen an die Trinkwasserhygiene in die Quere kommen. Wie gehen Sie bei der IMMO mit diesen Zielkonflikten um?

Das ist natürlich auch bei uns ein vieldiskutiertes Thema. Von der Zürcher Stimmbevölkerung haben wir den Auftrag erhalten, den Energieverbrauch langfristig auf 2000 Watt pro Person zu senken. Zudem muss unser Portfolio bis 2035 klimaneutral werden. Wir bei der IMMO verfolgen das Ziel, Wasserhygiene und Energieeinsparungen zu vereinbaren. Eine durchdacht konzipierte, sorgfältig erstellte und korrekt einregulierte Sanitärinstallation kann die mikrobiologisch erforderlichen Temperaturen mit dem kleinstnötigen Energieaufwand herstellen. Das lässt sich jedoch meist nur bei Neubauten oder bei umfangreichen Sanierungen umsetzen. Im Bestand ist es oft so, dass wir Kompromisse bei den Temperaturen eingehen müssen. Hier verfolgen wir den Ansatz, lieber kontinuierlich etwas mehr Energie zu investieren, um Kontaminationen zu verhindern. Denn eine Anlage zu dekontaminieren, benötigt oft insgesamt mehr Energie und Ressourcen. Insbesondere, wenn man die grauen Emissionen berücksichtigt, die bei der Herstellung der Interventionsprodukte entstehen.

 

Sie sind bei Ihrem Wirken vermutlich auch oft in der Zwickmühle mit verschiedenen Ansichten: die einen wollen keine Hygieneschaltungen und immer über 60 °C, während die anderen am liebsten eher 55 °C wollen. Wie ist damit umzugehen?

Die SIA sowie der SVGW geben die einzuhaltenden Temperaturen vor, und an diese halten wir uns. Da wir jährlich hunderte Legionellen-Messungen durchführen, haben wir die Sicherheit, dass in diesen Temperaturbereichen die Werte grösstenteils in Ordnung sind. Wenn sich dennoch Grenzwertüberschreitungen einschleichen, ist dies meist auf ein technisches Problem, die falsche Ausführung der Verrohrung oder einen unzureichenden hydraulischen Abgleich zurückzuführen. Durch das Einhalten der vorgegebenen Temperaturen können wir zudem auf eine thermische Hygieneschaltung verzichten. Diese sehe ich kritisch, da die hohen Temperaturen nur den Speicher und einen Teil der Verteilleitungen erreichen, bei weitem jedoch nicht alle Leitungsabschnitte – und speziell die Ausstossleitungen nicht.

 

Noch in diesem Jahr werden die Ergebnisse vom grossen, aktuell laufenden Forschungsprojekt «LeCo» zur Legionellen-Problematik herauskommen. Was versprechen Sie sich davon für Ihre Aufgaben?

Wir haben uns in dieses Projekt eingebracht und etwa unsere Gebäude, Daten sowie unser Know-How zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse werden hoffentlich einige Lücken schliessen können, die zwischen Praxis und Theorie noch bestehen. Während eines solchen Prozesses werden ausserdem oft weitere Wissenslücken erkannt, was für die weitere Forschung sehr wertvoll ist. Wir sind sehr gespannt auf die Resultate!

 

Wie sind die Aufgaben von Eigentümerschaft und Betreiber bei Ihnen geregelt?

Kurz gesagt: Die Eigentümerschaft stellt eine funktionierende Anlage zur Verfügung und die Betreiber sind verantwortlich dafür, sie sorgfältig zu betreiben und zu melden, wenn etwas nicht oder nicht mehr funktioniert. Dabei orientieren sich beide an den SVGW Richtlinien W3-E2 Betrieb und Unterhalt von Sanitäranlagen und W3-E4 Selbstkontrolle in Gebäude-Trinkwasserinstallationen. Es ist immer eine Zusammenarbeit. Laut Richtlinien ist es nicht die Pflicht der Eigentümerschaft, die Betreiber zu schulen. Bei der IMMO setzen wir jedoch sehr stark darauf und haben glücklicherweise auch die Ressourcen dafür. Es zahlt sich aus, gut geschulte Betreiber zu haben.

 

Was macht die Gebäudetechnik der IMMO in Bezug auf Nachhaltigkeit noch?

Um die erwähnten Ziele «2000-Watt» und «Netto-Null» zu erreichen, dreht die Stadt Zürich an verschiedenen Stellschrauben gleichzeitig. Wir arbeiten auf Hochtouren daran, den Anteil erneuerbarer Energien zu erhöhen. Die IMMO baut gemeinsam mit EWZ die Stromerzeugung und -nutzung aus PV-Anlagen auf städtischen Immobilien aus. Wir stellen Infrastruktur für Elektromobilität, Energiespeicher zur Abdeckung der Spitzenlast oder Standorte für städtische Energie- und Wärmeversorgungsunternehmen zur Verfügung. Um Energie zu sparen, ersetzen wir nach und nach alle herkömmlichen Lampen durch LED-Leuchten.

Rund 56% der Treibhausgas-Emissionen der Stadt Zürich fallen auf den Gebäudesektor. Hier kann die IMMO als Eigentümerin grossen Einfluss nehmen. Durch Betriebsoptimierungen und Heizungsersatz haben wir die direkten Emissionen stark gesenkt und werden sie bis 2035 auf null reduziert haben. Dank Betriebsoptimierungen gelang uns in den letzten Jahren auch, die Verbräuche von Wärme, Strom und Wasser bei gleichzeitig wachsender Nutzfläche stetig zu reduzieren.

Wie im Zusammenhang mit dem Sanitärbereich bereits erwähnt, setzen wir allgemein darauf, die Lebensdauer der Bauteile bestmöglich auszuschöpfen und den Materialeinsatz zu minimieren. Wo immer möglich ziehen wir Instandhaltungen und Umnutzungen von bestehenden Gebäuden dem Neubau vor.

Ein Thema, das uns in Zukunft ebenfalls umtreiben wird, ist der sommerliche Wärmeschutz. Als Folge der Klimaerwärmung werden die Sommer immer heisser und die Gebäude erwärmen sich entsprechend. In den Gesundheitszentren haben wir schon früh damit begonnen, hitzemindernde Massnahmen umzusetzen. Zurzeit arbeiten wir an der einer Umsetzungsstrategie für den sommerlichen Wärmeschutz in den Schulen. Danach werden wir auch für die restlichen Gebäude gute Lösungen suchen. Die Temperaturen im Innenraum haben, wie vorhin erwähnt, einen unmittelbaren Einfluss auf die Kaltwasserleitungen – und auch auf allfällige Kühlungsanforderungen. Es sind also alle Bereiche unserer Abteilung auf vielfältige Art und Weise miteinander verwoben – und räumen allesamt dem Thema Nachhaltigkeit eine prioritäre Rolle ein.

 

Welche allgemeinen Herausforderungen sehen Sie in Zukunft in Ihrem Bereich?

Wie in vielen Branchen gibt es auch in den technischen Berufen einen Fachkräftemangel, der langfristig ein grosses Problem darstellt. Die schnelllebige Zeit mit den sich stets ändernden Normen verlangt eine gewisse Flexibilität und vorausschauendes Handeln. Ausserdem wird die stetige Weiterbildung der Mitarbeiter immer wichtiger, da die Technik immer komplexer wird und ein interdisziplinäres Denken unumgänglich ist. Dies versuchen wir bei der IMMO bereits umzusetzen und vorzuleben.


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