Abwasserwärme

Daniel Kalberer: «Es ist dem unermüdlichen Pioniergeist meines Vaters zu verdanken, dass sich zur Thematik Energie aus Abwasser ein wohl einmaliger Erfahrungsschatz angesammelt hat.» (Bilder: Th. Kessler/zVg)

12.09.2024
Fery Lipp

«Technik ist inzwischen sehr ausgereift»

Bei der Abwasserwärmenutzung (AWN) bzw. der Abwasserwärmerückgewinnung (AWRG) steht die Wärmerückgewinnung der im Abwasser enthaltenen Abwärme im Fokus. Die FEKA-Energiesysteme AG in Bad Ragaz gilt als Pionier in der Schweiz in dieser Hinsicht und hat über 260 AWRG-Projekte realisiert. Geschäftsführer Daniel Kalberer zeigt im Interview die Chancen solcher Anlagen auf und gibt einen Überblick über den Stand der Technik auf diesem Gebiet.

Daniel Kalberer, Sie bezeichnen das Abwasser als die letzte grosse Leckage in einem modernen Gebäude und propagieren die Abwasserwärmerückgewinnung (AWRG) als die Lösung. Wie ist Ihr Unternehmen auf diesen Geschäftszweig gestossen und wie waren die Entwicklungen seit dem Beginn Ihres Vaters in den 1970er Jahren?

In den vergangen 50 Jahren gab es diverse Lösungsansätze diese Leckage «zu stopfen». Mit der ersten Erdölkriese 1973/74 kam das Bewusstsein auf, dass die fossilen Energieträger endlich sind. Mein Vater hat das recht früh erkannt und als gelernter Sanitärmonteur und Fachplaner war die Quelle Abwasser naheliegend. Von der Idee bis zu den ersten Anlagen vergingen ein paar schweisstreibende Entwicklungsjahre. Mein Vater konnte nicht auf ein Entwicklungsteam für die Umsetzung seiner Ideen zurückgreifen, sondern hat das «FEKA-System» neben seiner angestammten Tätigkeit als Abteilungsleiter Sanitär mit der Metallbauabteilung des damaligen Arbeitgebers entwickelt. Der erste Prototyp wurde 1975 in Mels SG installiert.

Die zweite Erdölkriese 1979/80 hat der Thematik einen Schub verleiht und von 1981-1985 wurden knapp 50 Anlagen realisiert. Es gab aber auch genügend Skeptiker, die eine Vielzahl von Gründen aufführten, warum ein solches System nicht funktionieren kann. Rückblickend war aber nicht die AWRG, sondern die vermeintlich zuverlässige Kältetechnik die Achillesverse des Systems. Die Kinderkrankheiten der Wärmepumpen haben auch zu einer engen Zusammenarbeit mit dem NTB (heute Ost) und im speziellen mit Dr. Max Ehrbar (damaliger Leiter Labor Thermodynamik) geführt. Ich kann mich noch an angeregte Diskussionen zwischen dem Akademiker Max und meinem Vater als reinem Praktiker erinnern. Da sind manchmal zwei Welten aufeinandergeprallt. Daraus ist jedoch ein sehr grosser Erfahrungsschatz entstanden, wie Wärmepumpen zu konzipieren sind, damit sie in ein Gesamtsystem passen.

Durch die tiefen Ölpreise Ende der 1980er wurde wieder vermehrt auf fossile Energieträger gesetzt. Das hat sich nicht nur bei den umgesetzten AWRG-Projekten gezeigt, sondern in der ganzen damaligen Branche von «Alternativen Heizsystemen». Für das Thema Energie aus Abwasser gab und gibt es keine eigentliche Lobby … - wobei ich da eine Klammer aufmachen muss: Durch die Tätigkeit meines Vaters als nebenamtlicher Fachlehrer an den Berufsschulen Zürich und Lostorf kam das Thema in den Berufsschul- und TS-Unterricht. Da hatte mein Vater auch wohlwollende Unterstützung seiner Fachlehrer-Kollegen um Hansruedi Schmidli, ehemaliger Präsident und Vorstandmitglied des SSHL, welche die Schüler, Studenten und Meisterschulabsolventen Sanitär mit der Thematik vertraut machten. Das hat bis heute Bestand. So unterstützen wir sehr gerne Projekt- und Diplomarbeiten und können so auch Berührungsängste mit der Thematik abbauen.

 

Was hat Ihr Unternehmen in diesem Business erreicht?

Es ist dem unermüdlichen Pioniergeist meines Vaters zu verdanken, dass sich zur Thematik Energie aus Abwasser ein wohl einmaliger Erfahrungsschatz angesammelt hat. Ich sage immer salopp: er hat alles gemacht, was man darf und was man nicht bauen darf. Mein Vater war seiner Zeit sicherlich in vielen Bereichen voraus. Auch wenn ich anfänglich nicht so glücklich mit dem Firmennamen war, lebt sein Geist auch im Firmennamen weiter. FEKA kommt definitiv nicht von Fäkalien, sondern von FElix KAlberer. Die Assoziation zu Fäkalien macht den Namen aber leicht merkbar und das auch auf der anderen Seite des Röstigrabens in der Romandie. Somit wurde FEKA in den letzten Jahrzenten zu einem «Brand» für Energie aus Abwasser. Es wurde sehr viel publiziert über AWN im Kanal, aber mit aktuell etwas über 260 realisierten Anlagen haben wir in Europa am meisten gebaut. Weltweit kann ich das nicht beurteilen. In der Form, wie wir es als System bauen, ist mir nichts bekannt.

Wir sind auch stolz darauf, dass sämtliche Entwicklungen aus Eigenmitteln finanziert wurden und wir nicht auf Fördergelder oder andere Unterstützung angewiesen waren. Über all die Jahre konnte der Grossteil der Wertschöpfung in der Schweiz behalten werden und somit können wir auf eine langjährige Zusammenarbeit mit unserem Zulieferer zählen.

 

Wie ist kurz erklärt die Funktionsweise einer FEKA-AWRG und was zeichnet sie aus?

Das anfallende Abwasser wird beim Gebäudeaustritt in einem Abwasserschacht geleitet und das Grauwasser vom Schwarzwasser mit einem Filter getrennt. Das Becken wird kommunizierend durchströmt und die Energie dem Grauwasser entzogen. Sobald das Wasser komplett entwärmt ist, wird der Filter rückgespült und die im Tagesverlauf angesammelten Feststoffe in die Kanalisation geleitet. Die Spülpumpe läuft nur für ein paar Minuten im Tag, ansonsten funktioniert das System ohne Fremdenenergie mit Schwerkraft.

Im Wärmetauscher zirkuliert ein Zwischenkreislauf entweder mit einem ökologischen Frostschutzmittel oder Wasser, je nach Anwendung. Mit Hilfe der Wärmepumpe wird die Abwärme auf das gewünschte Temperatur Niveau angehoben. Übergeordnet bauen wir eine Steuerung, die je nach Aufgabenstellung das Quellmanagement über die Wärmepumpe bis zur Speicherbewirtschaftung regelt.

 

Wieviel Energie kann durch Ihre Anlagen eingespart werden und welche Energiemenge kann dem Abwasser entzogen werden?

Grundsätzlich ist die Bilanzierung bei der AWRG recht einfach, wenn man das Ganze als Kreislauf betrachtet. Die AWRG deckt den Anteil Brauchwarmwasser mit bis zu 30% Verlust.

Kommen zusätzliche Einträge wie das Filterspülwasser in Hallenbädern hinzu, kann auch ein Grossteil der Heizenergie rekuperativ gedeckt werden.

Daniel Kalberer: «Grundsätzlich gilt für unsere AWRG: je grösser, desto wirtschaftlicher.»

Daniel Kalberer: «Grundsätzlich gilt für unsere AWRG: je grösser, desto wirtschaftlicher.»

Lausanne «Plaines du Loup» Einbringung der Abwasserwärmerückgewinnung (AWRG) in FEKA-Schacht: Anstelle eines klassischen Fernwärmenetzes auf Hochtemperatur wurde hier pro Etappe (PU) ein Mitteltemperaturnetz auf ~35°C realisiert. Das Brauchwarmwasser wird dezentral in den Unterstationen mit «Booster WP» breit gestellt. Das Mitteltemperaturnetz kombiniert die Vorteile aus Anergie- und klassischem Fernwärmenetz.

Lausanne «Plaines du Loup» Einbringung der Abwasserwärmerückgewinnung (AWRG) in FEKA-Schacht: Anstelle eines klassischen Fernwärmenetzes auf Hochtemperatur wurde hier pro Etappe (PU) ein Mitteltemperaturnetz auf ~35°C realisiert. Das Brauchwarmwasser wird dezentral in den Unterstationen mit «Booster WP» breit gestellt. Das Mitteltemperaturnetz kombiniert die Vorteile aus Anergie- und klassischem Fernwärmenetz.

Prinzip des Energiekreislaufs einer Abwasserwärmerückgewinnungsanlage.

Prinzip des Energiekreislaufs einer Abwasserwärmerückgewinnungsanlage.

Was würde als sinnvoll genutztes Potential herauskommen, wenn möglichst viel Abwasser so genützt würde?

Man könnte hingehen und den gesamten Brauchwarmwasserbedarf der Schweiz abschätzen, was ein fantastisches Potential ergeben würde. Diese Betrachtungsweise kennen wir von Investoren, die unser System weltweit gross rausbringen wollten. Das mag maximal für ein Hochglanz-Prospekt reichen, entspricht aber in keinster Weise der Realität. Wir haben einen pragmatischeren Ansatz: grundsätzlich ist eine AWRG bei allen Objekten mit hohem Wasserbedarf prüfenswert: Bäder, Heime, Spitäler, Überbauungen, Industrie, Wäschereien, ARA, um nur einige zu nennen.

 

Wie verläuft der Planungsablauf von den ersten Berechnungen bis zur Inbetriebnahme?

Meistens machen wir in der Wettbewerbs-Phase eine unverbindliche erste Abschätzung für die Fachplaner. Durch die grosse Erfahrung können wir sehr rasch eine Machbarkeit beurteilen und Kenngrössen wie Schachtvolumen, Leistungen und Energiepotential mit einem Richtpreis angeben. Bei der Umsetzung unterstützen wir den Fachplaner mit viel Know-How zur Integration in die Gebäudetechnik. So kümmern wir uns um die bauliche Umsetzung mit dem Bauingenieur bis hin zur Integration in ein Gebäudeleitsystem.

Für die Installation der AWRG im Schacht haben wir ein Montageteam. Die restlichen Arbeiten kann der Installateur problemlos machen. Die Inbetriebnahme betreuen wir wiederum intensiv. Das Projekt ist damit für uns aber noch nicht abgeschlossen. Jede Anlage wird im Betrieb optimiert und auf das effektive Betriebsverhalten angepasst.

 

Was ist bei der Auswahl der richtigen Wärmepumpen zu beachten? Wo liegen die Knackpunkte?

Bis vor einigen Jahren haben wir die AWRG nur als Gesamtsystem mit Wärmepumpe verkauft. Das hatte zwei Gründe; zum einen waren Wärmepumpen über 60 kW ausschliesslich im Anlagenbau und zum anderen war die ganze Regulierung des Gesamtsystems auf der SPS der Wärmepumpe. Die Standardisierung zu immer grösseren Wärmepumpenleistungen war absehbar und so haben wir vor 5 Jahren angefangen übergeordnete Steuerungen zu bauen. Das gibt Freiraum für die Wahl der Wärmpumpen. Somit kann jede Sole/Wasser-WP gewählt werden, die den Anforderungen entspricht. Dadurch können das Fabrikat und der Hersteller nach Kundenwunsch gewählt werden oder direkt beim «Hauslieferanten» bezogen werden. Die Wärmepumpe wird dadurch auswechselbar und wir haben keinen grossen Einfluss mehr darauf, dass auch bei der WP die Wertschöpfung in der Schweiz bleibt.

Wobei auch anzumerken ist, dass durch die Standardisierung und Serienfertigung in grösseren Stückzahlen die Zuverlässigkeit merklich zugenommen hat. Um zurück auf die gestellte Frage zu kommen: Quellenseitig ist der Temperaturbereich markant höher als bei der Geothermie. Diese Anforderung erfüllt heute ein Grossteil der Wärmepumpen in unserem Grössenbereich. Wichtig ist auch zu verstehen, dass eine AWRG nicht ein stationärer Prozess ist, sondern sehr dynamisch. Je nach Objekttyp kann es im Tagesverlauf von hohen Spitzen bis zu keinem Zufluss in der Nacht kommen. Wir kontrollieren die Auslegung der WP immer in allen möglichen Betriebspunkten und das ist elementar für die Wahl der richtigen Wärmpumpe.

 

Auf welche Temperaturen kann das Wasser im Abwasserschacht abgekühlt werden, ohne dass es Probleme gibt?

Von der technischen Seite her ist einzig die Änderung des Aggregatzustandes ein limitierender Faktor. Da müsste man lediglich den Abtransport der Eiswürfel gut konzipieren - Spass beiseite. Wir entwärmen das Abwasser nur so tief, wie das Objekt auch Energie benötigt. In der Praxis ist die Grenze bei 5 ° Celsius. Das auch noch aus einem anderen Grund: mit sinkender Quellentemperatur fällt auch die Verdampfungstemperatur der Wärmepumpe, was schlussendlich zu Lasten der JAZ geht.

Anfänglich waren vor allem die Kläranlagenbetreiber skeptisch, ob noch genügend Energie für die Biologie vorhanden ist. Das wäre ein Thema bei einer AWN im Kanal unmittelbar vor dem Klärwerk. Hingegen hat eine AWRG beim Objekt marginalen Einfluss auf die Einleittemperatur ins Klärwerk. Die massgebenden Einflussfaktoren hat Dr. Oskar Wanner mit seinem Team von der EAWAG 2004 sehr gut untersucht. Die Erdreichtemperatur ist die massgebende Grösse für die durchschnittliche Einleittemperatur der Grössenordnung Ø15 °C. Das deckt sich auch mit unserer Erfahrung, dass zwischen Gebäudehülle und öffentlicher Kanalisation am meisten Energie verloren geht.

 

Aus welchen Anlagekomponenten besteht eine typische FEKA-AWRG?

Bis vor 25 Jahren haben wir das Abwasser in Edelstahltanks im Gebäude gesammelt. Das hat von der technischen Seite grundsätzlich zuverlässig funktioniert. Hingegen waren Wartung und Reinigung meist etwas umständlich im Gebäude. Auch Geruchsbelästigungen konnten während den Wartungen nicht ausgeschlossen werden. Der FEKA-Tank wurde deshalb durch den FEKA-Schacht abgelöst. Der externe Schacht hat die Wartung markant vereinfacht. So kann der ortsansässige Kanalreiniger einfach mit seinem Saugwagen die Reinigung machen.

Das Innenleben ist im Grundprinzip dasselbe geblieben. Dieses besteht im Wesentlichen aus Filter, Wärmetauscher, Spülpumpe(n), Schichtsystem und speziellen Temperatur- und Niveausonden. Sämtliche Bauteile sind aus Edelstahl oder Kunststoff, die den rauen Bedingungen standhalten. Auch wird bewusst auf komplexe Reinigungssysteme verzichtet, da ein Versagen bei den anspruchsvollen Bedingungen vorprogrammiert wäre. Trotzdem ist das Schmutzhandling zentral. Das FEKA-System ist so konzipiert, dass man mit der Verschmutzung lebt.

Neben der eigentlichen AWRG gehört die passende Wärmepumpe und die ganze MSRL dazu. Ein integraler Bestandteil ist die Fernwartung. Seit 2006 bauen wir keine Anlagen mehr ohne externen Zugriff. Das ermöglicht uns, die Anlagen am Anfang einfach zu optimieren und im Betrieb zu betreuen. So können wir auch bei älteren Anlagen neue Erkenntnisse mit Software-Updates einspielen. Im Weiteren können wir sehr viele Daten über das Betriebsverhalten der einzelnen Objekttypen sammeln.

 

Was ist technisch noch zu verbessern in der Technik der AWRG?

Die Technik ist zwischenzeitlich sehr ausgereift. Trotzdem setzten wir laufend Anpassungen und Weiterentwicklungen um. Dabei setzten wir den Fokus darauf, alle Komponenten zu vereinfachen und möglichst stabil zu bauen.

Die AWRG kann hingegen nicht isoliert betrachtet werden. Als Beispiel beeinträchtigen oftmals hohe Rücklauftemperaturen die Effizienz der Wärmepumpe. Dabei könnte man mit einem grossen (hohen) Speicher die hohen Rücklauftemperaturen mit natürlicher Konvektion entkoppeln oder mit einem Mitteltemperaturnetz die Energie verteilen und die hohen Temperaturen mit Booster-WP dezentral erzeugen, um nur zwei konkrete Beispiele zu nennen. Neben der Technik versuchen wir, die Abläufe von der Konzeptidee bis zur optimierten Anlage für alle Beteiligten laufend zu vereinfachen.

Der vollständige Beitrag ist in p+i 05/24 erschienen


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